walter schulze-mittendorff bio 17

 

Walter Schulze-Mittendorff


17. 1933


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Es sind die Menschen mit einem wachen Geist, die sich keine Illusionen über eine Harmlosigkeit der Nationalsozialisten (Nazis) machen. Künstler, aber auch Philosophen und Wissenschaftler, darunter in der Mehrzahl jüdische Bürger, verlassen 1933 in einer ersten Emigrationswelle Deutschland. Aber es zählen auch diejenigen Deutschen dazu, die unter der Repression der menschenverachtenden Diktatur nicht mehr leben und arbeiten wollen. Denn jetzt werden alle gesellschaftlichen Bereiche ‚gleichgeschaltet’; es darf nur noch das gesagt, gelehrt und getan werden, was der Ideologie der nationalsozialistischen Partei entspricht.


„Die Mode im Wandel der Jahrtausende“, farbige Plastiken im AGFA Pavillon der I.G. Farben in der Ausstellung der Olympiade.


Es lässt sich nur schwer vorstellen, was es bedeutet, erst dem Terror entfliehen zu wollen und sich diesem dann dennoch ganz bewusst auszusetzen. In dieser Situation bedarf es einer Kühnheit – bei gleichzeitiger Bescheidenheit, denn bei Angst, die mit Selbstsucht gepaart ist, wird man leicht zum Opfer. Es geht Walter Schulze-Mittendorff nicht nur um den Schutz seiner Familie, sondern auch darum, unter größtmöglich normalen Umständen seinen Beruf weiter auszuüben; das bedeutet, in dieser Zeit als Künstler zu arbeiten und dabei möglichst wenig aufzufallen. Denn man kann auf zweierlei Weise zum Opfer werden: erstens, indem man in Ungnade fällt und dadurch zum Verfolgten wird, und zweitens, indem man durch zu große berufliche Ambitionen von den Nazis für deren Zwecke vereinnahmt wird; beides gilt es zu umgehen.

Walter Schulze-Mittendorff kann auf Grund seiner umfassenden Ausbildung zum Bildhauer, Stuckateur und Zeichner auf vielfältige Weise tätig sein und die Kunst mit dem soliden Handwerk verbinden. 1936 erhält er von der Firma I.G. Farbenindustrie AG den Auftrag, anlässlich der Olympiade in Berlin für den ‚AGFA Pavillon’ die Ausstellung „Die Mode im Wandel der Jahrtausende“ zu entwerfen.


Die Kunst, Domäne schöpferischer Freiheit, ist reglementiert, sie muss sich dem Kunstempfinden der neuen Machthaber unterwerfen. Die Kunst, in der der Künstler seiner Kreativität folgt und sich aus seiner inneren Freiheit heraus ausdrückt, kann schnell als ‚entartet’ diffamiert werden und der Künstler wird dann mit Berufsverbot belegt. Der ‚entarteten Kunst’ wird die ‚Deutsche Kunst’, die Kunst im Sinne des Nationalsozialismus gegenübergestellt. Zur ‚entarten Kunst’ zählen beispielweise die Stilrichtungen des Expressionismus, des Kubismus und des Surrealismus.

Auch Walter Schulze-Mittendorff plant Deutschland zu verlassen und bemüht sich um Immigrationspapiere für die USA. Er hat die Papiere bereits in der Tasche, als sich herausstellt, dass seine Schwiegereltern nicht zur Emigration bereit sind, sie fühlen sich zu alt dazu. Sein Schwiegervater Max Liewen hatte schon viele Jahre zuvor seinen ursprünglichen jüdischen Namen Levi in Liewen eindeutschen lassen, ein Zeichen dafür, dass er sich als Deutscher empfindet. Das bedeutet aber nicht, dass er jetzt die Gefahren des Nationalsozialismus für sich als Jude unterschätzt. Bereits 1932 verkauft er seine Villa in der Winkler Straße 4 und zieht 1933 in eine Wohnung in der Trabener Straße 19.

Walter Schulze-Mittendorff bringt es nicht fertig, auszuwandern und seine alten Schwiegereltern in Nazi-Deutschland zurückzulassen. 1933 zieht er mit seiner Frau zu ihnen, um ihnen nahe zu sein. Die Schwiegereltern sterben 1936 in ihrer Wohnung; die Cousine seiner Frau, mit der er bis zu seinem Lebensende eng befreundet bleibt, emigriert nach New York.


Figur für die Ausstellung „Die Mode im Wandel der Jahrtausende“


Walter Schulze-Mittendorff, zweiter von links,

und interessierte Gäste bei der Vorbereitung zur Ausstellung

„Die Mode im Wandel der Jahrtausende“.


Walter Schulze-Mittendorff bei der Arbeit an einer der beiden Figuren,

die den Eingang zum AGFA Pavillon flankieren sollen.

Hier passt sich zwar seine Kunst in der äußeren Form der herrschenden Kunstvorstellung an,

aber der Gesichtsausdruck der Figur bleibt davon frei.

Ist der Ausdruck der Plastiken der ‚Deutschen Kunst’ meist martialisch und düster, strahlt das Gesicht dieser Figur, ähnlich dem der oben gezeigten, sorgenvolle Bedenklichkeit aus.


Der Eingang zur Ausstellung  „Die Mode im Wandel der Jahrtausende“

mit den beiden seitlichen Figuren.

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